Pralinen für die Nautikerin in mir

Und dann gibt es Dinge, da möchte man nochmal zurückkehren, dorthin, wo alles angefangen hat, bevor es während der Metamorphosen* ein bisschen abhanden kam, wie ein Regenschirm, von dem man wohl weiß, dass es ihn gibt, irgendwo, aber den zu suchen man immer zu faul ist, bevor man eilig das Haus verlässt.

Pralinen

Nun habe ich gestern bei PENNY diese Pralinenschachtel gekauft. Sie ist riesengroß, so dass sie kaum in unsere geräumige Wohnung und somit auch nicht ganz aufs Foto passt. Sie kostet nur 1,69 € und ist herrlich illustriert und damit gerate ich auch schon in den Taumel der Semiotik und der Erinnerung an damals, als das noch eine Bedeutung hatte: Roland Barthes und die Mythen des Alltags, Signifikat und Signifikant und egal worum es geht, ganz am Ende kehre ich immer zu Hans Blumenberg zurück.

Nun ist diese Pralinenschachtel eingehegt von so vielen Verweisen wie sie Kalorien hat. Das beginnt schon mit dem Anlass des Kaufes. (Da ich ein bisschen aus der Semiotik-Übung bin und keine Lust habe auf post/strukturalistische Exegese, setze ich einfach jeden Verweis kursiv.)

Photo

Also, der Liebste und ich spielten kürzlich ein Spiel auf dem iPhone, ein Match-3-Game namens ChocChocPop. Das gabs zum Valentinstag kostenlos im App-Store. Die 3D-animierten Pralinen leuchten so dermaßen appetitanregend auf dem Retina-Display, dass das Suchtzentrum im Gehirn aktiviert wurde. Pralinen mussten her!

Es hätte jede Pralinenschachtel der Welt sein können, aber diese scheint wie für mich gemacht, um gleichsam eine Zeichen- UND Erinnerungskaskade auszulösen. Denn der Aufdruck spricht die gewesene Nautikerin in mir an: Kompass, Windrose, Landkarte und ein vielfach besegeltes Schiff*, offenbar ein Schoner. Ich sehe meinen Segelschein und bin auf dem Wannsee am Tag des Erwerbs und dann bin ich in Gedanken am Abend dieses Tages und ich habe ein schwarzes Tuch um die Schultern gelegt und ich bin noch so jung ---

Und ich kann nicht an die Schifffahrt denken, ohne gleich mit einer Hand am Herzen Bücherregal zu sein, und Hans Blumenberg herauszufischen, bzw. dieses - mit der Euphorie eines jungen Menschen, der noch alles vor sich hat geschriebenes - Essay. Ach!

Eigentlich gäbs jetzt noch so viel zu sagen, aber mir ist inzwischen von den billigen Pralinen und vielleicht auch von der Erinnerung ein bisschen blümerant.

*Euphemistisch für 'Von einer Verzagtheit in die nächste taumeln'.

walhalladada - 17. Feb, 16:34

Eine Lindorkugel für Nausicaa!

Anousch - 17. Feb, 19:46

Nausikaa

gemahnt mich wiederum an eine Stelle aus Stifters 'Nachsommer', vor derem "geistigen Hintergrund" (der Antike), wie ich einst schrub "eine Pornographie der Sittlichkeit sowie substituierte Onanie möglich werden":

[…] da gesellte sich auch lächelnd das schöne Bild Nataliens zu mir; sie war die Nausikae von jetzt, so wahr, so einfach, nicht prunkend mit ihrem Gefühle und es nicht verhehlend. Beide Gestalten schmolzen in einander, und ich las und dachte zugleich, und bald las ich, und bald dachte ich, und als ich endlich sehr lange bloß allein gedacht hatte, nahm ich das Buch, das vor mir auf dem Tische lag, wider auf, trug es in das Bücherzimmer auf seinen Platz, und ging durch den Marmorsaal und den Gang der Gastzimmer in meine Wohnung zurück. Das Werk des Vormittags war abgetan.

Hach, Zeiten waren das, die akademischen!
nanou - 17. Feb, 20:54

Nein! Ich will nicht, das (auch) du verzagst! Grade du nicht! Du bist doch meine Heldin, weißt du das nicht?

Anousch - 17. Feb, 21:22

(Ach Du! Ich verzage ja nicht auf ganzer Linie. Mhm, ich maile mal!)
books and more - 18. Feb, 11:04

Schönes Bedeutungenschachterl. So kauf' ich ja oft einen Wein. Den Herrn Blumenberg las ich tatsächlich hier, Ehrenhof gegenüber des Brunnens rechts, in einem alten Seminarraum mit Büchern bis zur Decke ringsum, verstohlen nach einer todschönen (allerdings auch todkranken) Kommilitonin mit roten Kirschenohrringen schielend. Das waren auch noch (EDIT: verwirrte) Zeiten! Keine See-, aber eine Bergkarte habe ich mir gestern übers Bett gehängt und auch gleich ein schönes Schläfchen darunter gehabt, südlich des Zug­spitz­gebiets! *freut sich schon auf den Höhensommer mit der Kameradin*

Immer noch am Leben aufräumen, Ihr ever
Books

Anousch - 18. Feb, 15:22

Ja, die einen ziehts aufs Wasser, die andren ins Gebirg'. Und allein des Wortes 'Höhensommer' wegen würde ich mir die Wanderstiefel schnüren!

Die Gegenwart wird noch ein bisschen verstellt vom Geröll der Vergangenheit. Hilft alles nichts: Anpacken und hin und wieder die schöne Aussicht genießen.

Ihre
A.
katiza - 23. Feb, 13:57

Was ich mir wünsche, Kapitänin...

Anousch - 24. Feb, 15:15

Und was ich mir wünsche: Dass Videos in meinem Land verfügbar sind! :(
katiza - 24. Feb, 15:22

Aber jetzt - hoffe ich!
Anousch - 25. Feb, 16:52

Hoffe, dieses Lied schafft die Passage über die Alpen...

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Kommentare

it awesome
I am still learning from you, but I am trying to achieve...
herobayan - 6. Sep, 15:29
thanks
Great tips, many thanks for sharing. I have printed...
herobayan - 6. Sep, 15:28
ja. Ich geh jetzt auch...
ja. Ich geh jetzt auch Sommersprossen malen. (früher...
g a g a - 3. Aug, 22:29

Zuspruch, Trost und Ach!

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